Sportlich war ein Wort, das man im Zusammenhang mit mir wohl noch nie benutzt hatte. Früher war ich sehr zwar sehr schlank, was aber wohl davon kam, dass ich kaum etwas aß.
Und nun erklärte mir in der Arztpraxis ein junges Mädchen der Marke "Hungerhaken", dass ich möglichst nur noch Gemüse essen solle
und mich viel bewegen müsse, damit ich nicht irgendwann statt Zuckertabletten einzunehmen, Insulin spritzen müsse.
Mir leuchtete es ja auch ein, dass meine Übung "Armstemmen der Pralinen aus dem Kasten in den Mund" auch bei vielfacher
Wiederholung wohl nicht ausreichend sei. Und da ich auf Süßes nicht gänzlich und vor allem nicht für IMMER
(Oh Gott, was für eine Schreckensvorstellung) verzichten wollte, blieb dummerweise nur die Bewegung übrig.
Netterweise hatte der Arzt von Spaziergängen gesprochen - für den Anfang. Ich dachte, dass ich das wohl hinbekäme,
falls nicht die Unlust zu übermächtig wurde. Eine Freundin übernahm den Part mich aufzuraffen und ging mit mir einmal die Woche spazieren.
Aber, selbst bei größter Ignoranz der Zuckerkrankheit war es mir klar, dass auch das nicht wirklich ausreichte.
Zumal ja durch das unausgesprochene Verbot, Süßes essen zu dürfen, der Drang, Süßes in sich hineinzuschlingen,
ständig gewann. Dem schlechten Gewissen lachte die Sucht offen ins Gesicht, schob es beiseite und es wurde sozusagen
von haufenweise Schokolade komplett unterdrückt.
Ich wusste, dass das alles sehr menschlich war, aber ich merkte auch immer öfter und deutlicher, dass ich etwas ändern musste.
Auf wohlmeinende Ratschläge in einen Sportverein einzutreten, zum Tanzen, zur Aqua-Gymnastik oder ähnlichem zu gehen,
reagierte ich ziemlich aggressiv, denn ich war so ungelenkig, kurzatmig und lustlos, dass ich mich gar nicht erst traute,
in irgendeine Sportgruppe zu gehen.
Brigitta zeigt, wie Gymnastik gehen sollte
Jemand meinte, man (und sie meinte mich!) könne ja auch zur Seniorengymnastik gehen. Sicher konnte man das. Machte ich auch. Das konnte ja schließlich nicht so schwierig sein.
Aber spätestens nach einer halben Minute aufwärmen war ich so fertig, dass ich mich hinsetzen musste. Und wenn die anderen dann 10 Minuten
später anfingen, freudig ihre eigentlichen Übungen zu machen und beim Vorbeugen ganz leicht mit ihren Händen den Boden berührten, dann noch
ein Bein nach hinten gen Himmel streckten - wohlgemerkt ohne umzufallen - oder sich auf den Boden setzten und den Kopf problemlos auf
die ausgestreckten Beine legten, während ich bei ausgestreckten Beinen noch nicht einmal den Oberkörper in einen 90°-Winkel bekam,
sondern mich nach hinten abstützen musste, um nicht umzufallen - ja dann war ich so frustriert, dass ich hätte heulen können.
Die aufmunternden Parolen einer 85-jährigen Frau "Das wird schon - irgendwann" und das mitleidige Schulterklopfen der Anderen,
war so beschämend, dass ich mich nach der Probestunde mit Pralinen vollstopfte und dem Senioren-Sport fernblieb - und ich mich
nun aus zwei Gründen schämte.
Dagmar zeigt mir, wie die Übung aussehen sollte
Irgendwann fiel mir ein, dass es in einem Fernsehsender eine Gymnastiksendung gab. Da konnte wenigstens niemand meine Unfähigkeit sehen,
Liegestütze nicht einmal auch nur andeuten zu können. Erschwerend für meine Motivation als Nachteule war es sicherlich, dass ich morgens
um 7 Uhr aus dem Bett springen musste, um sofort mit Skigymnastik anzufangen. Da mich aber niemand sah, sprang ich im Sitzen mit.
Mein Kater fand das zwar sehr merkwürdig, aber er lachte nicht, machte keine dummen Bemerkungen, korrigierte mich nicht dauernd,
hatte aber auch kein Mitleid mit mir. Er war höchstens ärgerlich darüber, dass sein Schlaf gestört wurde.
Darüber musste ich laut lachen - und siehe da, das war der Moment, an dem ich erstmals Spaß beim "Sporteln" hatte.
Zufällig kam an dem Tag eine Folge mit Koordinationsübungen für Senioren. Man musste sich unter anderem gleichzeitig überkreuz an Nase und Ohr fassen,
immer abwechselnd rechts und links. Überheblicherweise fand ich das nun doch zu einfach. Aber nach dem 3.mal war ich echt erstaunt,
wo ich meine Nase und mein Ohr vermutete. Hätte ich keine Brille aufgehabt, hätte ich einige Male meine Augen ergriffen. Ich musste so lachen,
dass der Kater erstaunt um die Ecke schaute.
Das Video zeigt, wie Brigitta übt . . . :-))))
Brigitta übt Koordination
Gleichzeitig war ich sehr erschreckt darüber, wie schlecht diese scheinbar einfachen Handgriffe bei mir funktionierten.
Aber ich machte tapfer weiter mit und durch das Lachen wurden die Bauchmuskeln gleich mit trainiert.
Nach zwei Wochen war ich ganz für mich allein stolz darauf, dass ich die täglichen, sehr unterschiedlichen Übungen mitgemacht hatte,
immer nur so weit und so oft wie ich konnte.
Ich fing an, mich darauf zu freuen. Einige Übungen werde ich nie richtig hinbekommen, anderes gelang mir sogar so gut, dass ich mich an die
Yoga-Sendung herantraute, bei der sich elfenhafte Wesen mit Leichtigkeit in ungeahnte Figuren verbogen und sich verknoteten, dass einem schon
beim Hingucken schwindelig wurde. Ich machte oft nur die Atemübungen mit, aber auch das half, mich fit zu fühlen.
Schon nach kurzer Zeit fand ich mich so gut, dass ich über die Übung "Hinstellen und dabei Po und Bauch anspannen" nur lachte. Das schaffe ich spielend, dachte ich. War auch so.
Allerdings hatte ich am nächsten Tag arge Schmerzen in der Mitte meines Bauches.
Nachdem ich panisch lebensbedrohende Blähungen, Darmverschlingung oder ähnlich Schreckliches ausgeschlossen hatte, war es klar: ich hatte durch die Stehen-Übung Muskelkater am Bauchnabel bekommen!
Da musste ich aber doch laut lachen und stöhnend meinen schmerzenden Bauch halten.
Herzlich Eure Mimi
Dagmars Übungen halten sie beweglich
Kater Tiger guckt erstaunt zu, wie Brigitta die Kerze macht. Was die Menschen aber auch alles so machen, wenn die Sonne scheint . . .
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