Die kleine Frau schimpfte wie ein Rohrspatz. Nun ja, genaugenommen war sie keiner, sondern ein Hausspatz.
Aber schimpfen, das konnte sie am laufenden Band.
Zwar war es unbestritten, dass ihr neuer Ehegatte fleißig war und unermüdlich Äste, Grashalme und anderes Material für den Nestbau besorgte,
aber es war immer gerade das Falsche! Wenn sie Füllmaterial brauchte, schleppte er einen dicken Ast an, den sie mühselig wieder aus der
Dachnische heraus bugsieren musste. Weil der sich ständig verkantete, hatte sie bereits heftige Nackenschmerzen bekommen. Wenn sie den Ast
aber nun wieder brauchte, dann hatte ihr Gatte den gerade entsorgt. Vermutlich um ihre Wut nicht noch weiter zu steigern,
hatte er das sofort erledigt. Das war nett gedacht, aber dennoch falsch.
Herr Spatz hört einfach nicht zu
Frau Spatz knurrte ihren Mann an, dass er doch nur mal richtig zuhören müsse. Er war jedoch so übereifrig, dass er anscheinend immer nur die Hälfte ihrer Anweisung
mitbekam und das war in der Regel genau die falsche Hälfte.
Sie fragte sich, wie das erst bei der Brutpflege werden würde? Sie hatte ja schon einige Erfahrungen in der Aufzucht der Jungen gemacht.
Für ihn war es jedoch seine erste eigene Familie und seine ersten Kinder, die bald das Licht der Welt erblicken würde. Manchmal zweifelte
sie an ihrer Entscheidung, ihn zum Mann zu nehmen. Ihr Spatzenmann war jung und prächtig, jedoch komplett unerfahren. Aber seine Gene
würden kräftige und gut ausgestattete Nachkommen hervorbringen. Sie hoffte jedoch, dass die jungen Spatzen genug von ihren eigenen
Genen mitbekämen, so dass sie später einmal besonnen und überlegt würden handeln können. Damit hätten sie eine große Chance, die Art
zu erhalten. Denn das war leider, leider sehr schwer geworden. Solch eine Brutmöglichkeit, wie diese hier an dem Menschenhaus, auf
dessen Dach sie wohnten, gab es nur noch sehr selten. Ihr Nest konnten sie über der Regenrinne in der Aushöhlung unter der Dachpfanne
bauen. Dort war es warm, windgeschützt und trocken; also perfekte Bedingungen für einen Nestbau. Sie und ihr Mann waren sich darüber
tatsächlich einmal einig.
Modernes Nistmaterial
Allerdings hatte sich im Gegensatz zu früheren Zeiten das Nistmaterial verändert. Ihr junger Mann brachte immer so bunte,
glitzernde Bänder und Stückchen mit. Die waren zwar ganz schön anzusehen, aber auch sehr scharfkantig. Sie musste ganz schön
aufpassen, dass sie sich nicht die Zunge oder den Fuß aufschlitzte, wenn sie diese lustigen Dinger im Nest verarbeitete. Sie kannte
die bunten Sachen aus der Zeit, als sie in der Nähe der Müllkippe der Menschen gewohnt hatten. Sie und ihre Nachbarn hatten die Dinger
als durchaus gefährlich eingestuft. Ein Spatz hatte sich damals einen weißen Ring als Schmuck um den Hals gemacht und war ihn nie
wieder losgeworden. Er war sogar daran gestorben, weil sich der Ring an einem dünnen Ast festgehakt hatte. Einige Spatzen hatten
versucht, ihm zu helfen und an dem Ring gezogen. Als das nicht funktionierte, knabberten sie den Ring an. Aber auch das klappte
nicht und der arme Kerl war elendiglich verhungert. Leider hatten sich einige Spatzen bei der Hilfsaktion so sehr am Schnabel
verletzt, dass auch sie daran gestorben waren. Das hatte viele familiäre Katastrophen nach sich gezogen. Viele Spatzen, so auch
sie selber, mussten sich neue Partner suchen. Und das war gar nicht so einfach, wie man denken mochte. Es gab nämlich kaum noch
Spatzen. Schließlich hatte sie einen sehr jungen Spatzen erhört, der schön und kräftig war. Obwohl er mit diesen bunten
Glitzerdingen um sie geworben hatte, hatte sie letztlich nachgegeben. Vor seinen Kumpels hatte er dann in typischer
Spatzenmanier damit angeben, wie er sie mit diesen modernen Dingen umgestimmt hatte. Sie hingegen wollte nicht als
altmodisch gelten und hatte das Glitzergeschenk angenommen, obwohl es sie irgendwie an den weißen Ring erinnerte,
der so viel Leid nach sich gezogen hatte.
Tradition oder Dekoration?
Durch seinen Erfolg ermutigt, brachte er immer mehr davon an. Sie wusste nicht, wie sie ihm sagen konnte, dass sie diese Art der
Geschenke nicht mochte. Blöd war auch, dass die anderen Spatzen nun auch dachten, dass sie ihren Partnerinnen ebenfalls mit dem
Flitter imponieren konnten. Da dabei viele junge, unerfahrene Spätzinnen waren, wurde es ein Trend und niemand glaubte, dass der
gefährlich sei. Lange war ja auch nichts Schlimmes passiert. Wenn sie von dem Ring am Hals des Spatzen von damals erzählte,
meinten sie herablassend, dass man sich schließlich mit einem Ast auch verletzen könne. Damit hatten sie recht, aber sie hatten
ja auch noch nie einen Partner dadurch verloren.
Frau Spatz beschloss, den ältesten Spatz in der Gegend um Rat zu fragen. Er hatte diese Bewegung ebenfalls bemerkt und war sehr besorgt,
denn immer öfter gab es Meldungen aus benachbarten Ländern, dass die Glitzerdinger den Vögeln, und nicht nur den Spatzen, schadeten
und oft zum grausamen Tod führten. Der Alte hatte auf Aufklärung gesetzt und immer wieder auf die alten Traditionen im Nestbau hingewiesen.
Sie seien doch wohl nun erprobt und richtig. Aber das wollten die jungen Spatzen nicht hören. Dennoch versprach der alte Spatz, mit dem
Ehemann von Frau Spatz zu reden, aber er glaubte nicht wirklich an ein Wunder. Bei seinen früheren Versuchen bei jungen Spatzen war er als
hoffnungslos altmodisch und dumm verhöhnt worden.
Frau Spatz wusste, was er meinte und beschloss, ihre eigenen Jungen anders als bisher zu erziehen und von vornherein vor den bunten Glitzerdingern zu warnen.
Der alte Spatz kam kurz danach zu ihr, um ihr von dem Gespräch mit dem Ehemann zu berichten. Er war in der Tat verhöhnt worden,
aber etwas Beunruhigendes war zwischen den Zeilen ebenfalls zutage getreten. Der junge Mann hatte gesagt, dass es leichter sei,
die bunten Glitzerdinger zu besorgen, als richtige Äste und Gras. Es gab zu wenig von den Naturmaterialien, denn überall waren
Menschenhäuser mit Steingärten, Parkplätzen für deren Autos und alles war übersät von gelben Plastikmüllbeuteln und Plastikzeug,
das durch die Gegend flog. Eben alles, was die Menschen achtlos einmal benutzten und dann wegwarfen.
"Sind sich die Menschen denn nicht im Klaren darüber, dass sie nicht nur den Tieren, sondern letztendlich auch sich selber schaden?",
fragte Frau Spatz traurig, "Wo dieses Plastikzeugs liegt, wächst nichts mehr. Nichts! Wirklich nichts. Also auch keine Nahrung. Weder
für uns noch für die Menschen." Beide nickten besorgt.
Der alte Spatz und die Frau des jungen Spatzen trafen sich seitdem des Öfteren. Sie versuchten einen Schlachtplan zu schmieden,
um ihre Nachkommenschaft zu unterrichten und ihnen Alternativen aufzuzeigen. Frau Spatzens Ehemann fand das alles recht blöd.
Bis eines Tages sein bester Freund starb. Er hatte versehentlich ein Glitzerding verschluckt und war an dem davon aufgerissenen
Magen qualvoll verendet. Da hörte Herr Spatz den beiden Älteren zum ersten Mal richtig zu und begriff allmählich, was sie meinten.
Bisher waren die beiden ihm eigentlich sogar peinlich gewesen. Sie waren zum Außenseiter geworden, weil sie eine Meinung vertraten,
die zum damaligen Zeitpunkt als seltsam und versponnen galt. Aber jetzt bewunderte er sie, weil sie sich trotz der Widerstände und
des Spottes der meisten Artgenossen weiter um Aufklärung bemühten. Nun half er den beiden manchmal bei ihrer Mission. Er macht
sogar weiter, als er selbst von seinen Kumpels verhöhnt wurde.
Herr Spatz warnt vergebens
Viel später, als der alte Spatz und seine Frau längst gestorben waren, warnte er weiter vor den Gefahren des Glitzerzeugs,
obwohl er auf immer größere Ignoranz traf. Alle schmückten sich mit Plastikstücken und bauten ihre Nester damit. Niemand merkte,
dass durch die Glitzerdinger mehr Spatzen starben als überlebten. Alle begründeten diese Tatsache mit anderen Argumenten und
nicht mit ihrem Verhalten.
"Wir leben doch alle. Was willst du nur?", war die stereotype Antwort. "Davor hat doch schon der alte Spatz vor vielen Jahren gewarnt",
sagte er immer wieder. Aber sie riefen nur: "Du immer mit deinen ollen Sachen..." Seine Warnungen kamen nicht an.
Bis sich eines Tages sein jüngstes Enkelkind verletzte. Es kauerte jammernd am Boden und konnte nicht mehr fliegen.
Damit war es zum Tode verurteilt, weil es eine leichte Beute für Raubtiere war. Doch es hatte Glück. Ein kleines Menschenkind
fand es und pflegte es gesund. Während dieser Zeit konnten der kleine Spatz und der kleine Mensch für einen kurzen Moment lang
miteinander reden und sich verstehen. Und der kleine Mensch verstand plötzlich die Not der Tiere. Er begriff, dass die Tiere
nicht überleben würden, wenn der Mensch sich nicht ändern würde und er nicht aufhören würde, das ganze Plastikzeug zu produzieren.
Spatzen for Future
Der kleine Mensch fing an, dieses Problem den anderen Menschen zu erzählen und konnte kaum glauben, dass sie sich auch
Sorgen um ihr Überleben machten. Und ganz schnell fand sich eine Gemeinschaft zusammen, die gegen die unverantwortliche
Industrie der Menschen demonstrierte.
Das bemerkte eines Tages der kleine Spatz, der seinen kleinen Menschenfreund immer wieder einmal besuchte. Er begleitete ihn zu den
Veranstaltungen und zwitscherte lauthals mit den Menschen mit. Das wiederum faszinierte seine Spatzenfreunde und seine Familie.
Auch sie flogen mit. Und so kam es, dass die Spatzen den Menschen halfen zu demonstrieren.
Sie alle verstanden, dass keine Zeit mehr blieb. Man musste JETZT handeln. ALLE Lebewesen mussten jetzt handeln,
um die Welt und damit auch sich selbst zu retten.
Und so nach und nach wirkte es. Erst mit winzig kleinen Schritten, dann mit immer größeren. Letztlich klappte es in allen Teilen der Welt.
Alle verstanden, dass alle auf viele Annehmlichkeiten würden verzichten müssen, um auf dieser Welt überhaupt überleben zu können.
Egal ob Mensch oder Tier oder Spatz...
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Die Geschichte ist eine Leseprobe aus dem Buch >>> "Das Leben am Vogelfutterhaus - Die Geschichten" >>> .
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